General Guisan der Reduitgeneral

Es gibt wohl kaum eine Schweizer Persönlichkeit, der in diesem Jahrhundert grössere Verehrung zuteil wurde als Henri Guisan, dem Oberbefehlshaber der Schweizer Armee im Zweiten Weltkrieg. «Das ganze Volk stand geschlossen hinter ihm und alle Kreise unserer Öffentlichkeit anerkannten ihn einmütig als einen der ihren», meinte Bundespräsident Ernst Brugger 1974, anlässlich des hundertsten Geburtstags des Generals.

Guisans Porträt hing damals nicht nur in allen Amtsstuben des Landes, sein Konterfei zierte auch Bierkrüge, Aschenbecher und Halstücher. Die Popularität des charismatischen Waadtländers geht vor allem auf den Sommer 1940 zurück, als Frankreich vor den Deutschen kapituliert hatte, und Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz mit seiner anpasserischen Radiorede die Angst weckte, dass der Bundesrat das Land kampflos preisgeben wolle.


In diesem Moment setzte Guisan ein deutliches Zeichen: An einem Armeerapport auf dem Rütli bekräftigte er den Willen zum «Widerstand gegen jeden Angreifer, woher er auch kommen mag», und gab gleichzeitig die wichtigste strategische Entscheidung seiner Amtszeit bekannt: die Zurücknahme der Armee ins Alpenreduit. «Mit dem Rütlirapport wurde Guisan zur Integrationsfigur einer ganzen Generation», meint der Zürcher Historiker Jakob Tanner, «er bündelte in einem kritischen Moment die Ängste und Hoffnungen der Bevölkerung.»

Doch auch der General war nicht gefeit vor Anfeindungen. Im Herbst 1940 kam es innerhalb der Armee gar zu einem eigentlichen Putschversuch. Die vorrückenden Deutschen hatten im französischen La Charité nämlich Dokumente sichergestellt, die zeigten, dass Guisan ohne Wissen des Bundesrates Verhandlungen mit dem französischen Armeekommando geführt hatte. Das stellte eine klare Verletzung der schweizerischen Neutralität dar.

Oberstkorpskommandant Ulrich Wille – Sohn von Ulrich Wille sen., dem General im Ersten Weltkrieg – der selber gern General geworden wäre, intervenierte daraufhin beim deutschen Botschafter in Bern: Deutschland solle die Schweiz wegen dieses Militärabkommens unter Druck setzen und die Demission Guisans verlangen. Doch die Intrige misslang und Guisan blieb im Amt.

Das Kooperationsabkommen mit dem französischen Armeekommando stellt nicht die einzige gewagte Initiative Guisans auf dem Gebiet der Aussenpolitik dar. Fast gleichzeitig mit dem Rütlirapport forderte er nämlich den Bundesrat auf, eine geheime Sondermission nach Berlin zu entsenden, um die deutsch-schweizerischen Beziehungen zu verbessern. Guisan verwendete in seinen Briefen explizit Worte wie «Anpassung» und «Zusammenarbeit». Nun war es der Bundesrat, allen voran der vielgescholtene Pilet-Golaz, der sich gegen eine solche Wallfahrt in die Nazimetropole verwahrte.

Für Jakob Tanner zeigt diese Episode, dass die Begriffe Anpassung und Widerstand wenig geeignet sind, um die Schweizer Politik im Zweiten Weltkrieg zu verstehen: «Sowohl der General wie der Bundesrat praktizierten in abwechselnden Konstellationen Anpassung und Widerstand, um die Schweiz heil durch den Krieg zu bringen.»

Christof Dejung


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© & ® Leo Krattiger 1926-2012 †